Die Azteken, auch Mexica genannt, waren eines der beeindruckendsten und einflussreichsten Völker der präkolumbischen Geschichte Amerikas. Ihr Reich, das sich im heutigen Mexiko befand, war geprägt von einer faszinierenden Kultur, komplexen religiösen Praktiken und einem hochentwickelten gesellschaftlichen System. Doch ihr Aufstieg und Fall sind auch eine Geschichte von Eroberungen, Expansion und schließlich der Zerstörung durch spanische Konquistadoren.


Der Ursprung der Azteken

Die Geschichte der Azteken beginnt mit einer Legende. Nach Überlieferungen wanderten die Mexica aus einem mythischen Ort namens Aztlan nach Süden, bis sie um 1325 n. Chr. am Ufer des Texcoco-Sees ankamen. Dort erblickten sie ein Zeichen, das ihre Götter ihnen in einer Vision versprochen hatten: einen Adler, der auf einem Kaktus saß und eine Schlange in seinem Schnabel hielt. Dieses Symbol inspirierte sie, die Stadt Tenochtitlán zu gründen – das spätere Herz ihres Reiches und die heutige Hauptstadt Mexikos, Mexico City.

Zu Beginn waren die Azteken ein kleines, untergeordnetes Volk, das von mächtigeren Nachbarvölkern beherrscht wurde. Doch durch geschickte Allianzen, militärische Stärke und politische Strategien schafften sie es, sich zu einer dominanten Macht zu entwickeln.


Das aztekische Reich: Expansion und Organisation

Im Laufe des 15. Jahrhunderts formierten die Azteken ein riesiges Reich, das sich vom Golf von Mexiko bis zur Pazifikküste erstreckte. Sie schlossen sich mit zwei anderen Stadtstaaten, Texcoco und Tlacopan, zur sogenannten „Dreibündnis-Allianz“ zusammen, die die Grundlage für ihre Expansion bildete. Unter Führung von Herrschern wie Itzcóatl (reg. 1427–1440) und Moctezuma I. (reg. 1440–1469) eroberten sie zahlreiche Gebiete und verlangten von den unterworfenen Völkern Tributzahlungen in Form von Nahrungsmitteln, Gold, Federn und anderen Waren.

Die aztekische Gesellschaft war streng hierarchisch organisiert. An der Spitze stand der Tlahtoani (Herrscher), der als göttlicher Mittler zwischen den Menschen und den Göttern galt. Unter ihm befanden sich Adlige (Pipiltin ), Priester, Krieger, Händler und Bauern. Sklaven (Tlacotin ) bildeten die unterste Schicht der Gesellschaft, doch sie konnten sich durch harte Arbeit oder besondere Verdienste freikaufen.

Die Hauptstadt Tenochtitlán war eine technische Meisterleistung. Die Stadt lag auf einer Insel im Texcoco-See und war durch Dämme und Kanäle vor Überschwemmungen geschützt. Mit ihren prächtigen Tempeln, Palästen und Gärten sowie einer Bevölkerung von etwa 200.000 Menschen war sie eine der größten und fortschrittlichsten Städte ihrer Zeit.


Religion und Opferrituale

Die aztekische Religion war polytheistisch und spielte eine zentrale Rolle im Leben der Menschen. Ihre wichtigsten Götter waren Huitzilopochtli, der Gott der Sonne und des Krieges, Tlaloc, der Regengott, und Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange, die als Schöpfergottheit verehrt wurde.

Ein charakteristisches Merkmal der aztekischen Religion waren die Menschenopfer, die als notwendige Maßnahme zur Erhaltung der Welt angesehen wurden. Die Azteken glaubten, dass die Götter ihr eigenes Blut geopfert hatten, um die Welt zu erschaffen, und dass nur regelmäßige Opfer diese Ordnung aufrechterhalten könnten. Gefangene aus Kriegen wurden oft in spektakulären Ritualen getötet, wobei ihr Herz herausgeschnitten und den Göttern dargeboten wurde. Diese Praxis schockierte die spanischen Eroberer, die sie als barbarisch betrachteten.

Neben den Menschenopfern gab es auch rituelle Fastenzeiten, Tanzzeremonien und andere spirituelle Praktiken, die das tägliche Leben der Azteken bestimmten.


Die Ankunft der Spanier und der Untergang des Reiches

1519 landete der spanische Konquistador Hernán Cortés an der Küste Mexikos. Obwohl die Azteken über eine große Armee verfügten, waren sie gegenüber den Spaniern im Nachteil. Die Eroberer nutzten die Feindschaft zwischen den Azteken und ihren tributpflichtigen Völkern aus, um Verbündete zu gewinnen. Zudem brachten die Spanier Pferde, Feuerwaffen und Krankheiten wie die Pocken mit, die für die Azteken völlig unbekannt und tödlich waren.

Cortés marschierte nach Tenochtitlán und wurde zunächst von Moctezuma II., dem damaligen Herrscher der Azteken, freundlich empfangen. Doch bald eskalierte die Situation, und die Spanier nahmen Moctezuma gefangen. Nach dessen Tod kam es zu einem blutigen Krieg, der 1521 mit der Eroberung und Zerstörung von Tenochtitlán endete. Die Spanier errichteten auf den Ruinen der Stadt Mexico City, das zum Zentrum ihrer Kolonie Neuspanien wurde.


Das Vermächtnis der Azteken

Obwohl ihr Reich zerstört wurde, leben Teile der aztekischen Kultur noch heute fort. Ihre Sprache, das Nahuatl, wird von Millionen Menschen in Mexiko gesprochen, und viele traditionelle Bräuche und Feste haben überlebt. Archäologische Stätten wie Teotihuacán, Templo Mayor und die Pyramiden von Tenayuca zeugen von der Größe und Innovationskraft der Azteken.

Die Azteken hinterließen auch eine reiche literarische und künstlerische Tradition. Ihre Kalender, astronomischen Kenntnisse und medizinischen Praktiken waren weit fortgeschritten. Heute werden sie als eines der bedeutendsten indigenen Völker Amerikas angesehen, deren Geschichte sowohl von Triumph als auch von Tragik geprägt ist.

Die Geschichte der Azteken erinnert uns daran, wie fragil selbst die mächtigsten Reiche sein können – und wie wichtig es ist, die Vergangenheit zu bewahren, um aus ihr zu lernen.